Vor nicht allzu langer Zeit war ich in einer Sitzung, in der ein Pastor sagte, er wolle seine Gemeinde dazu führen, die erste Gemeinde der Geschichte zu sein, die den Missionsbefehl erfüllt.
Das ist ein atemberaubender Anspruch.
Und er erinnerte mich an viele andere missionarisch-visionäre Leitsätze. Einer der bekanntesten stammt wohl aus der Zeit der Student Volunteer Movement vor über hundert Jahren: „Die Evangelisation der Welt in dieser Generation!“ Dieser mitreißende Ruf wurde von Gott gebraucht, um Tausende evangelikale Christen aus der englischsprachigen Welt in alle Welt zu senden, um das Evangelium im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert weiterzugeben.
Aber ich will ehrlich sein – ich habe diesen berühmten Slogan immer als ein zweischneidiges Schwert empfunden. Der Aufruf zur weltweiten Evangelisation begeistert mich! Das bewegt mein Herz, und ich will mein Leben genau diesem Auftrag widmen. Doch der zweite Teil klingt für mich immer etwas manipulativ. Ich kann mir vorstellen, wie besonders junge Menschen von dem Gedanken begeistert werden, dass ihre Generation es endlich schaffen wird, woran alle vorherigen gescheitert sind. (Vielleicht ähnlich wie eine Gemeinde, die meint, das zu tun, was alle anderen Gemeinden nicht geschafft haben?)
Wie katholisch sind wir?
Ich will hier behutsam sein. Evangelisation ist entscheidend. Und doch kann ich den Unterschied zwischen dem Leitsatz des 19. Jahrhunderts und dem eigentlichen Missionsbefehl Christi nicht übersehen. Jesus sprach nicht nur von der Generation der Apostel, sondern versprach, bei ihnen zu sein „bis an das Ende der Weltzeit“ (Matthäus 28,20). Ein solch weltweiter und zeitübergreifender Auftrag sollte uns in eine Haltung der Demut führen – angesichts der überwältigenden Allmacht, die für diese Aufgabe nötig ist. Diese Demut sollte uns in völlige Abhängigkeit von Gott führen, selbst wenn wir uns mit ganzer Hingabe investieren. Und gerade diese Abhängigkeit von Gott schenkt uns die Kühnheit, die wir brauchen, um diesen großen Auftrag anzupacken und treu darin zu bleiben.
Mir fällt außerdem auf, dass keiner der Apostel naiv überschwänglich zu den anderen sagte: „Ich werde das allein machen! Ich werde das Evangelium zu allen Nationen bringen – ganz allein!“ Die Jünger wurden von Christus gesandt, um das Evangelium zu verkündigen. Und sie arbeiteten gemeinsam – der eine ging hierhin, der andere dorthin (vgl. Galater 2,9). Sie ermutigten und unterstützten sich gegenseitig in ihrer gemeinsamen Aufgabe.
Wie katholisch – also allumfassend – sind wir in unserem Dienst als Pastor? Arbeitest du aktiv daran, mit anderen Gemeinden vor Ort gemeinsam den Missionsbefehl zu erfüllen? Oder lebst du, als ob deine Gemeinde das Evangelium ganz allein bis an die Enden der Erde bringen könnte?
Träume groß – größer als die vier Wände deiner Gemeinde
Ich liebe es, Pastor zu sein, und ich liebe Pastoren. Ich danke Gott für Pastoren und versuche, ihnen zu dienen, wann immer Gott mir Gelegenheit dazu gibt.
Vielleicht ist es gerade diese Liebe, die mich manchmal auch traurig macht über Pastoren. Wie oft habe ich Aussagen gehört, aus denen deutlich wird, dass sich ihre Träume und Hoffnungen auf das beschränken, was innerhalb ihrer eigenen Gemeindemauern geschieht. Manchmal zeugt das von bewundernswerter Zufriedenheit und Demut – aber manchmal, fürchte ich, ist es schlicht Selbstbezogenheit und Kleingeistigkeit.
Andere Pastoren wiederum scheinen ein verzerrtes Hoffen zu haben – zum Beispiel, wenn sie für ihre Gemeindebund mitfiebern wie Fußballfans für ihren Lieblingsverein! Ich erinnere mich an einen Pastor, der mir begeistert erzählte, wie viele Prozent der Menschen in seinem Bundesstaat Mitglieder seines Gemeindebundes seien, wie die Wachstumstrends aussähen und noch viele andere Statistiken. Als ich ihn fragte, wie viele Menschen in seinem Bundesstaat sich als evangelikale Christen bezeichnen – also an dasselbe Evangelium glauben wie wir – hatte er keine Ahnung. Die Frage schien ihn noch nie beschäftigt zu haben.
Brüder, wie kann es sein, dass wir uns mehr darum sorgen, wer in unserem Gemeindebund ist, als darum, wer im Reich Christi ist? Denken wir mehr in Kategorien des Wachstums unserer eigenen Gemeinde oder des Wachstums der Gemeinde Gottes – unabhängig davon, welchem Ort sie angehören?
Ich sehne mich danach, dass Gott mehr Pastoren beruft, denen es mehr um echte Bekehrungen geht als um das zahlenmäßige Wachstum ihrer eigenen Gemeinde.
Ich sehne mich danach, dass Gott mehr Pastoren beruft, die eine Kultur der Fürsorge und Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden fördern.
Ich sehne mich danach, dass Gott Pastoren beruft, die über Jahre hinweg für Erweckung beten – und nicht enttäuscht sind, wenn Gott dieses Gebet in einer anderen Gemeinde erhört.
Wie können wir „katholische Pastoren“ sein?
Wie können wir solche „katholischen Pastoren“ sein – Pastoren, die nicht nur ihre eigene Gemeinde im Blick haben, sondern auch die Nichtchristen in ihrer Stadt oder Nachbarschaft lieben und sich an jeder echten Evangeliumsverkündigung freuen?
Und wie können wir unsere Gemeinden dazu führen, ihre Sichtweise zu erweitern und sich an der Arbeit für das Evangelium in ihrer Umgebung zu begeistern?
- Bete im Verborgenen für andere Pastoren und Gemeinden in deiner Region.
- Gib ein Vorbild, indem du in Gottesdiensten öffentlich für bibelgläubige, bibeltreue Gemeinden in deiner Umgebung betest.
- Lade gelegentlich Prediger aus anderen evangelikalen Gemeinden ein, an deiner Kanzel zu predigen – und nimm selbst Einladungen an, dort zu predigen.
- Lade einen anderen Pastor zu einem Gebetstreffen eurer Gemeinde ein. Führe ein Interview mit ihm über seine Gemeindearbeit und bete mit der Gemeinde für ihn.
- Übe dich darin, gut über andere Gemeinden zu sprechen. Wenn eine kritische Anmerkung nötig ist, dann sprich mit großer Sorgfalt.
- Ermutige Gemeindeglieder, die weit entfernt wohnen, sich einer gleichgesinnten Gemeinde in ihrer Nähe anzuschließen.
Es gibt so vieles, was du tun kannst!
Plane konkret, anderen Pastoren zu helfen
In welcher Form auch immer – überlege dir bewusst, wie du anderen Pastoren dienen kannst. Versammle sie. Bete mit ihnen. Schenk ihnen gute Bücher. Lass sie wissen: So gut du kannst, bist du für sie da.
Achte besonders auf solche Pastoren, die ihrerseits wiederum andere Pastoren segnen wollen. Das ist sozusagen die Anwendung von 2. Timotheus 2:2 treue Pastoren ausbilden, die wiederum andere treue Pastoren ausbilden.
Und wenn Gott in deiner Region und in meiner eine solche Gruppe gottesfürchtiger Diener seines Wortes erweckt, dann werden Verlorene gerettet, Gemeinden aufgebaut und Gottes Name geehrt werden.
Denn genau so – in jeder Generation – ist der Missionsbefehl erfüllt worden, wird er erfüllt, und wird er erfüllt werden.
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