Was tun gegen Gebetslosigkeit?

Gebetslosigkeit ist im Kern kein Problem der geistlichen Disziplin. In Wahrheit ist sie ein Problem des Glaubens.

Gebet ist die Muttersprache des Glaubens. Johannes Calvin nannte das Gebet die „wichtigste Übung des Glaubens“ (zitiert in „Enjoying Your Prayer Life“, S. 12). Deshalb fühlt sich das Gebet nicht wie eine Last oder eine Pflicht an, wenn unser Glaube lebendig ist und in uns wirkt. Es ist natürlich. Es ist die instinktivste Ausdrucksform des Glaubens.

In der ganzen Bibel sind Glaube und Gebet untrennbar miteinander verbunden. Ein besonders klares Beispiel ist die Aussage Jesu in Johannes 15:7: „Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, so bittet, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren.“ „In Jesus bleiben“ bedeutet Glauben – seinem Wort völlig zu vertrauen. „Bittet, was ihr wollt“ ist Gebet. Die Bibel fordert uns auf, Gott jederzeit zu vertrauen (Psalm 62:8), „allezeit im Geist zu beten“ (Epheser 6:18), an Gott zu glauben (Johannes 14:1) und von Gott zu erbitten, was wir brauchen (Lukas 11:9). Gebet ist die wichtigste Übung des Glaubens.

Johannes 15:7 zeigt uns auch, dass Gottes Wort, Glaube und somit auch das Gebet untrennbar miteinander verbunden sind. Glaube ist eine Antwort auf Gottes Wort: „Der Glaube kommt aus der Predigt, die Predigt aber durch das Wort Christi“ (Römer 10:17). Tim Keller sagt treffend: „Wenn Gottes Worte seine persönliche, aktive Gegenwart sind [vgl. Johannes 1:1–3 und Jesaja 55:10–11], dann bedeutet Vertrauen in Gottes Wort Vertrauen in Gott“ („Prayer: Experiencing Awe and Intimacy with God“, S. 53). Wenn unser Vertrauen in Gott liegt (in seinen Verheißungen – 2. Petrus 1:4) und Gott sagt: „Wenn ihr mir vertraut, bittet, was ihr wollt“ (Johannes 15:7), dann ist das Gebet die natürliche Ausdrucksform unseres Glaubens an Gott.

Die Hauptursache für Gebetslosigkeit

Wenn ich von „gebetslos“ spreche, meine ich nicht eine völlige Abwesenheit des Gebets. Ich meine eine relative Gebetslosigkeit. Ich meine, dass unser Gebetsleben weit davon entfernt ist, dem Aufruf aus 1. Thessalonicher 5:17 zu entsprechen: „Betet ohne Unterlass.“ Wir haben keine echte Gemeinschaft mit Gott im Gebet, sodass es uns als eine mühsame, langweilige oder vielleicht sogar nutzlose Übung erscheint, die wir hastig und oberflächlich erledigen oder ganz vermeiden. Wenn wir beten, scheinen unsere Gebete schwach und kraftlos – was dazu führt, dass wir noch weniger beten. Wir haben nicht die Ausdauer, „allezeit zu beten und nicht nachzulassen“ (Lukas 18:1).

Was läuft also falsch?

Wenn Gebet die Muttersprache des Glaubens ist und wir mit Gebetslosigkeit kämpfen, dann sollten wir zuerst nach einem Problem im Glauben suchen. Irgendwo gibt es einen Bruch in unserem Glauben – und solange wir diesen nicht beheben, wird unser Problem bestehen bleiben.

Wie beheben wir das? Dazu kommen wir gleich. Aber zuerst sollten wir darüber sprechen, was wir nicht zuerst zu reparieren versuchen sollten.

Die Rolle der Disziplin im Gebet

Oft versuchen wir als Erstes, unsere Gebetslosigkeit durch „mehr Disziplin“ zu überwinden. Wir schauen auf Glaubensvorbilder, Mentoren und Freunde, die ein kraftvolles und lebendiges Gebetsleben zu haben scheinen, und denken, dass die Lösung darin besteht, einfach das zu tun, was sie tun oder getan haben. Wenn wir früher aufstehen, eine bessere Gebetsliste oder App verwenden oder eine bewährte Methode anwenden, dann wird sich unser Problem schon lösen. Methoden sind zwar hilfreich und notwendig – wie wir noch sehen werden –, aber wenn unser eigentliches Problem ein Glaubensproblem ist, dann ist „mehr Disziplin“ eine trügerische Hoffnung.

Stellen wir uns das Gebet wie einen Zug vor: Der Glaube ist die Lokomotive, Gottes Verheißungen sind der Treibstoff, und die Disziplin sind die Schienen. Gebetslosigkeit entsteht fast immer durch eine stehengebliebene Lokomotive. Um das Gebet wieder in Gang zu bringen, müssen wir zuerst das Feuer unseres Glaubens neu entfachen – mit dem Treibstoff von Gottes Verheißungen.

Denn Disziplin ist nicht die Kraftquelle des Gebets. Der Glaube treibt den Gebetszug an, indem er sich auf Gottes Wort verlässt. Aber Disziplin gibt dem Zug die Richtung. Die Schienen von Planung, Struktur und Methoden sind notwendig, doch der beste Zeitpunkt, sich um diese zu kümmern, ist, wenn das Feuer des Glaubens brennt. Denn wenn der Glaube aktiv ist, wollen wir im Gebet vorwärtskommen – und dann wird der Heilige Geist uns die besten „Schienen“ für unser persönliches Gebetsleben zeigen.

Hilfe im Kampf gegen Gebetslosigkeit

Wenn wir mit Gebetslosigkeit kämpfen, müssen wir zuerst herausfinden, wo unser Glaube geschwächt ist. Hier sind einige praktische Schritte, um diesem Defizit entgegenzuwirken:

  1. Erinnere dich an Gottes vergangene Gnade: Ich setze diesen Punkt an den Anfang, weil ich aus eigener Erfahrung weiß: Wenn mein Glaube schwach ist und ich nicht einmal genau sagen kann, warum, hilft es mir am meisten, mich daran zu erinnern, wie Gott in der Vergangenheit treu war. Das ermutigt mich, ihm auch für die Zukunft zu vertrauen – selbst in der Situation, die gerade meinen Unglauben verursacht. „Dies nehme ich zu Herzen, darum hoffe ich noch“ (Klagelieder 3:21).
  2. Finde das Leck: Wo verliert dein Glaube seinen „Treibstoff“? Wenn der Glaube durch Gottes Verheißungen genährt wird, dann gibt es eine oder mehrere Verheißungen, die du momentan nicht glaubst. Schau nach Ängsten, Zweifeln, sündigen Gewohnheiten, ungelöster Wut, Bitterkeit oder Enttäuschung. Oft ist das Problem schnell gefunden. Manchmal aber liegt es tiefer, weil eine alte Erfahrung aus der Vergangenheit unbewusst mitschwingt. Falls du es selbst nicht erkennst, bitte reife Glaubensgeschwister um Hilfe. Aber wenn du es gefunden hast, benenne es klar.
  3. Tue Buße über deinen Unglauben: Ein schwacher Glaube ist nicht nur eine Herausforderung – er ist Sünde. Er ehrt Gott nicht, dessen Wort völlig zuverlässig ist: „Alle Worte Gottes sind geläutert“ (Sprüche 30:5). Deshalb müssen wir unseren Unglauben bekennen und umkehren. Doch Gott liebt es, unserem Unglauben zu helfen (Markus 9:24) und ihn in Glauben zu verwandeln. Heiligung bedeutet im Wesentlichen, dass wir immer mehr lernen, dem Herrn mit ganzem Herzen zu vertrauen (Sprüche 3:5). Wie er es mit Thomas tat, hält Jesus auch uns seine durchbohrten Hände hin und erinnert uns: Unser Unglaube ist bezahlt. Und er sagt: „Sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ (Johannes 20:27).
  4. Fülle deinen Glaubenstank mit Verheißungen: Gottes Verheißungen sind der Treibstoff, der die Lokomotive des Glaubens antreibt. Statt auf deine Zweifel oder Ängste zu schauen, richte deinen Blick auf die Verheißungen, die Gott dir gegeben hat. Oft fühlt sich das zunächst schwer an – aber es ist erstaunlich, wie kraftvoll Gottes Verheißungen wirken. Selbst wenn sich deine äußeren Umstände nicht geändert haben, kann sich dein Herz in nur 30 Minuten völlig anders anfühlen, wenn du dich an Gottes vergangene Treue erinnerst und seine Zusagen neu in den Blick nimmst. Der Unterschied liegt im Vertrauen.
  5. Schüre das Feuer deines Glaubens mit guten Ressourcen: Hier sind einige hilfreiche englischsprachige Bücher und Materialien, die dir helfen können, deinen Glauben zu stärken und feste „Schienen“ für dein Gebetsleben zu bauen:

„Enjoy Your Prayer Life“ (Michael Reeves)
Ein kurzes Büchlein, das in 30–40 Minuten zu lesen ist. Es enthält 14 kurze Kapitel, die sich leicht in die tägliche Andacht integrieren lassen. Ich habe es als sehr hilfreich empfunden.

„Prayer: Experiencing Awe and Intimacy with God“ (Tim Keller)
Ein exzellentes Buch, das sowohl die Lokomotive des Glaubens als auch die Schienen der Gebetsdisziplin behandelt. Ich lese es gerade und profitiere sehr davon.

„A Praying Life: Connecting with God in a Distracting World“ (Paul Miller)
Ein großartiges Buch, das mir viel Kraft gegeben hat. Miller begleitet uns mitfühlend durch die Herausforderungen des Gebetslebens und hilft uns, sowohl den Motor des Glaubens zu warten als auch solide Schienen für unsere Gebetsgewohnheiten zu legen.

„Battling Unbelief: Defeating Sin with Superior Pleasure“ (John Piper)
Ein hervorragendes Buch, um den Tank deines Glaubens mit biblischen Verheißungen zu füllen. Es hilft dir, die häufigsten Formen des Unglaubens zu überwinden, indem es zeigt, wie Gottes Freude stärker ist als jede sündige Versuchung.

„Praying in the Closet and in the Spirit“ (John Piper, Video oder Audio, 53 min)
Eine großartige Predigt, die sowohl den Glaubensmotor als auch die Gebetsgewohnheiten anspricht.

„Prayer as a Way of Walking in Love“ (Francis Chan, Video oder Audio, 1 Std.)
Hauptsächlich eine Ermutigung für den Glauben. Ich habe sie schon mehrfach gehört.

„George Müllers Strategie, um Gott sichtbar zu machen“ (John Piper, Audio, 1 Std., 15 min)
Schwerpunkt liegt auf der Stärkung des Glaubens, aber auch mit hilfreichen Impulsen für die Gebetsstruktur. Ich habe sie wiederholt gehört.

„Der Dienst von Hudson Taylor als Leben in Christus“ (John Piper, Video oder Audio, 1 Std., 12 min)
Hauptsächlich eine Ermutigung für den Glaubensmotor. Ich habe sie mehrfach gehört und viel daraus gewonnen.


Dieser Beitrag erschien zuerst bei Desiring God. Übersetzung und Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.
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