Wenn deine Gemeinde nicht evangelisiert – der wichtigste Schritt, den du als Pastor tun solltest

Wenn du ein treuer Pastor bist, dann möchtest du sehen, wie Menschen in deiner Gemeinde in der Erkenntnis Gottes wachsen (Kol 1:10.28). Du willst aber auch, dass deine Nachbarn Gott kennenlernen – und deine Gemeindemitglieder wollen das ebenso. Sie haben den aufrichtigen Wunsch, Gott zu erkennen und ihn bekannt zu machen (Mt 28:18–20).

Doch obwohl viele Christen in deiner Gemeinde wirklich den Wunsch haben, das Evangelium weiterzugeben, tun sie sich mit der Evangelisation schwer.

Hast du dich schon einmal gefragt, woran das liegt? Manche wollen das Evangelium weitergeben, wissen aber schlichtweg nicht, wie. Andere versuchen es vielleicht, aber sie fürchten sich vor der Reaktion anderer Menschen, stolpern über ihre eigenen Worte und verstummen schließlich ganz. Wieder andere meinen (fälschlicherweise), Evangelisation sei eine Aufgabe für Extrovertierte oder für die hauptamtlichen Mitarbeiter der Gemeinde.

Und im schlimmsten Fall – wenn sie ehrlich sind – verspüren manche in deiner Gemeinde einfach gar kein Verlangen, das Evangelium zu teilen. Vielleicht sind sie zu sehr mit ihrem eigenen Leben beschäftigt, um über das ewige Schicksal anderer Menschen nachzudenken. Vielleicht schämen sie sich für Gottes Gerechtigkeit und Güte, wenn es um das Gericht über Sünder geht. Wie auch immer – es gibt viele Gründe, warum Menschen in deiner Gemeinde das Evangelium nicht weitersagen.

Wie solltest du darauf reagieren?

Natürlich kannst und sollst du weiterhin Predigten halten, die vom Evangelium durchdrungen sind. Solche Predigten schulen deine Leute nicht nur im Evangelium, sie erinnern sie auch daran, dass die gute Nachricht wirklich gute Nachricht für sie selbst ist.

Darüber hinaus kannst und sollst du beständig für deine Leute und ihre Evangelisation beten. Hüte dich davor, gegen deine Herde zu sündigen, indem du aufhörst, für sie zu beten!

Sicher ließen sich noch weitere treue Reaktionen auf die evangelistische Schwäche in unseren Gemeinden benennen. Die Apostel wussten schließlich, dass zwar alle Sünder Geduld brauchen, aber unterschiedliche Arten von Sündern auch unterschiedliche Reaktionen erfordern – sei es Hilfe, Ermahnung oder Ermutigung (1Thess 5:14).

Ich möchte mich in diesem Artikel auf Letzteres konzentrieren: Ermutigung. Und hier ist der zentrale Gedanke – zusammengefasst in einem Tweet:

Pastor, wenn du deinen Leuten helfen willst, im Evangelisieren treuer zu werden: Ermutige sie geduldig und beständig!

Willst du, dass deine Leute evangelisieren? Ermutige sie!

Ermutigung ist nicht das Einzige, was wir tun sollten – aber sie ist etwas, das leicht übersehen wird. Mein Eindruck ist: Ganz gleich, zu welcher der oben beschriebenen Gruppen deine Gemeindemitglieder gehören – sie kämpfen alle in irgendeiner Weise mit Entmutigung. Selbst diejenigen, die gar kein Verlangen nach Evangelisation haben, empfinden zumindest ein gewisses Maß an Schuld, sobald das Thema zur Sprache kommt. Und diese Schuld ist nicht immer schlecht: Eine von Gott gewirkte Betrübnis kann jemanden dazu führen, Buße zu tun, weil er das Evangelium nicht weitergegeben hat (2Kor 7:10).

Auf der anderen Seite können selbst treue Evangelisten in deiner Gemeinde entmutigt sein – nämlich dann, wenn sie wenig oder gar keine Frucht aus ihren evangelistischen Bemühungen sehen. Denk an die Mutter, die ihrem Sohn oder ihrer Tochter unzählige Male das Evangelium erklärt hat, nur um zusehen zu müssen, wie das Kind später rebellisch wird. Denk an den Mitbewohner, der in seinem Wohnhaus einen Bibelkreis angeboten hat – und niemand ist gekommen. Treue Geschwister wie diese rufen gemeinsam mit Paulus aus: „Wer ist hierzu tüchtig?“ (2Kor 2:16).

Das Wissen um das Richtige – wie etwa die Pflicht zur Evangelisation – bewahrt uns nicht automatisch vor Entmutigung (im Gegenteil: Es kann unser inneres Ringen sogar noch verstärken). Pastor, ich bin überzeugt: Die meisten Menschen in unseren Gemeinden wissen, dass sie evangelisieren sollten. Das ist nicht das Problem. Vielmehr fühlen sich viele einfach schlecht, wenn es um ihre Evangelisation geht. Die Gründe dafür sind unterschiedlich – manche davon verständlich, andere weniger (vielleicht sehen sie Evangelisation nur als Transaktion, anstatt zu begreifen, dass der König aller Könige selbst durch sie ruft). Doch ein häufiger Grund für diese Entmutigung ist, dass sie das Gefühl haben, nicht gut darin zu sein. Sie fühlen sich überfordert und schon beim Gedanken daran wie Versager.1

Was kannst du gegen das evangelistische Schweigen in deiner Gemeinde tun?

Dieses Problem lässt sich nicht über Nacht lösen. Deine Gemeindemitglieder sind keine Wasserhähne, die man einfach reparieren kann – sie sind Schafe, die über längere Zeit hinweg seelsorgerlich begleitet werden müssen. Aber hier ist eine einfache und dennoch bedeutende Maßnahme: Ermutige deine Leute – geduldig und besonders in Bezug auf ihre Evangelisation.

Wir Pastoren müssen uns immer wieder daran erinnern, unsere Schafe zu ermutigen – gerade, wenn es um Evangelisation geht. Denn unser natürlicher Reflex verläuft oft in die entgegengesetzte Richtung: Wir beschämen sie. Wir machen ihnen ein schlechtes Gewissen. Wie ein Trainer, der seine Spieler anschreit, hoffen wir, dass sie dadurch schneller besser werden.

Damit will ich nicht sagen, dass wir unsere Leute nie lehren oder auch mal klare Worte finden sollen. Aber gute Eltern zeichnen sich nicht in erster Linie dadurch aus, dass sie ihre Kinder beschämen, sondern dadurch, dass sie sie anspornen – freundlich, liebevoll, treu und geduldig.

Natürlich könntest du Statistiken auspacken und deiner Gemeinde vor Augen führen, wie viele Menschen jede Sekunde sterben und aller Wahrscheinlichkeit nach ohne Christus in die Hölle gehen. Gerade in unserer polarisierenden Zeit ist das ein naheliegender Schritt – und vielleicht gibt es auch einen berechtigten Platz dafür. Doch wenn wir mit solchen Mitteln Evangelisation motivieren wollen, laufen wir schnell Gefahr, dieselbe subtile Manipulation zu betreiben, wie sie leider auch in mancher Evangelisationspraxis vorkommt. Gewiss: Gott gebraucht sogar mangelhafte Verkündigung Christi zu seiner Ehre (Phil 1:18).

Dennoch: So wie manipulative Evangelisation Menschen enttäuscht und desillusioniert zurücklassen kann, hinterlässt auch manipulativ erzeugte Motivation für Evangelisation eine Spur entmutigter Christen, die keine Lust mehr haben, ihren Glauben zu bezeugen. Mit anderen Worten: Diese Taktik funktioniert auf Dauer einfach nicht. Ja, wir haben eine dringliche Botschaft – aber es ist eine Botschaft, die oft geduldige Überzeugungsarbeit erfordert. So wie unsere Leute Geduld brauchen, so verlangt auch das Evangelium nach sanftem Werben (Spr 25:15).

Kritik und Ermahnung sind nicht per se falsch – als Pastoren müssen wir dieses seelsorgerliche Werkzeug auch einsetzen können (1Thess 5:14 spricht ausdrücklich davon). Doch obwohl Kritik manchmal nötig ist, ist sie für uns oft der leichtere Weg – gerade wegen unseres eigenen Stolzes. Härte ist häufig der erste Reflex frustrierter Leiter (besonders junger Leiter wie mir), selbst wenn der Frust über etwas berechtigtes entsteht.

Letztlich ist Ermutigung meist kraftvoller als Kritik – und wir sollten weitaus mehr ermutigen als tadeln. Immer und immer wieder fordert uns die Bibel dazu auf, einander zu ermutigen. Und wir Pastoren sollten darin ein Vorbild sein:

„Deshalb ermahnt einander und erbaut einer den andern, wie ihr es auch tut“ (1Thess 5:11).

„Lasst uns aufeinander achthaben, damit wir uns gegenseitig anspornen zur Liebe und zu guten Werken … und einander ermutigen“ (Heb 10:24–25).

Pastoren, wir sollen wie Väter unter unseren Gemeindegliedern sein – und auch wie Mütter: sanftmütig und ermutigend (1Thess 2:7.11). Anders gesagt: Hirten unter Christus sollten die Ermutiger Nummer eins in ihren Gemeinden sein. Keines unserer Gemeindemitglieder leidet an „zu viel Ermutigung“ – schon gar nicht im Blick auf Evangelisation.

Aber wie geht das konkret? Wie können wir unsere Leute geduldig zur Evangelisation ermutigen?

Ich habe zwei konkrete Vorschläge – und eine hilfreiche Ressource – für dich.

Vorschlag 1: Sprich es an

Sprich darüber. Sprich offen darüber, dass Evangelisation schwierig, herausfordernd und manchmal auch entmutigend ist. Erzähle nicht nur von spektakulären Bekehrungsgeschichten. Lehre deine Gemeinde nicht, dass „Erfolg“ in der Evangelisation Fruchtbarkeit bedeutet – wenn doch die Bibel klar macht, dass Treue das Entscheidende ist und Frucht letztlich in Gottes Hand liegt (Mt 25:21; 1Kor 3:6; 4:2). Unser Auftrag als Evangelisten ist es, die Botschaft zu überbringen – wie ein Briefträger die Post. Es ist Gottes Aufgabe, sie im Herzen wirken zu lassen.

Die Welt lehrt unsere Leute ohnehin schon, nach äußerem Erfolg zu beurteilen – aber Gott sieht die Dinge anders (1Sam 16:7). Und als Kinder Gottes sollten wir das auch tun.

Pastor, du kannst deiner Gemeinde helfen, diesen himmlischen Blickwinkel einzunehmen, wenn du das Thema Evangelisation offen ansprichst – mitsamt seinen Schwierigkeiten. Evangelisation kann für jeden entmutigend sein, selbst für Paulus, den großen Evangelisten. Er schrieb, dass uns keine Versuchung trifft, die nicht „menschlich“ wäre (1Kor 10:13). Und damit komme ich zu meinem zweiten Vorschlag:

Vorschlag 2: Teile „unerfolgreiche“ Geschichten – vor allem deine eigenen!

Die Bibel ist voll von Berichten entmutigter Evangelisten. Denk nur an Paulus in Apostelgeschichte 18 oder an Jona. Aber auch in deiner Gemeinde gibt es zahlreiche Geschichten von frustrierten Zeugen. Warum lässt du nicht mal ein Mitglied im Gottesdienst davon erzählen?

Ich erinnere mich an eine treue Schwester, die in unserer Gemeinde erzählte, wie sie am Arbeitsplatz einen Bibelkreis starten wollte – aber zum ersten Treffen kam niemand. Und doch hat sie uns ermutigt, weil sie uns daran erinnerte: Ziel ist Treue, nicht das Ergebnis. Wer weiß, wie Gott vielleicht eines Tages ihre Einladung gebraucht, um einen Kollegen ins Nachdenken zu bringen?

Die Bibel kennt Geschichten von „unerfolgreicher Evangelisation“. Deine Gemeinde kennt sie. Und Pastor – du kennst sie auch. Ich weiß noch, wie sehr es mir geholfen hat, als ich Mark Dever einmal davon erzählen hörte, wie er in der Evangelisation gründlich versagt hatte. Zu hören, dass auch er es nicht immer „aufs Spielfeld“ schafft, hat mir gezeigt: Ich bin nicht der Einzige, der manchmal das Gefühl hat, im Gespräch über das Evangelium zu scheitern.

Und dennoch: Gottes Gnade genügt – für mich und für jeden Christen. Pastor, du wirst deine Gemeinde ermutigen, auf diese Gnade zu hoffen, wenn du auch die Geschichten erzählst, in denen nicht alles glatt lief – vor allem deine eigenen.

Natürlich: Veranstalte Evangelisationsschulungen. Sprich über biblische Gründe, warum wir das Evangelium weitergeben sollen, und gib praktische Hilfestellungen. Das ist alles gut. Aber vergiss nicht, was Evangelisten am meisten brauchen: die Ermutigung, ihre Hoffnung auf Gott zu setzen. Bei ihm ist kein Ding unmöglich (Mt 19:26).

Eine Buchempfehlung

In der Church Questions-Reihe habe ich in dem kleinen Heft What if I’m Discouraged in My Evangelism? (dt. etwa: Was, wenn ich in meiner Evangelisation entmutigt bin?) über genau diese Hoffnung für entmutigte Evangelisten geschrieben.

Ich bete, dass es dir und deiner Gemeinde hilft, die beste Botschaft der Welt weiterzugeben.


Fußnoten:

  1. In seinem Kapitel über Evangelisation in der überarbeiteten und aktualisierten Ausgabe von Spiritual Disciplines for the Christian Life zitiert Don Whitney eine Studie, der zufolge „neun von zehn Personen, die versuchen, anderen ihre Überzeugungen und Theologie zu erklären, aus diesen Gesprächen mit dem Gefühl herausgehen, gescheitert zu sein“ (S. 123). ↩︎

Dieser Beitrag erschien zuerst bei 9marks. Übersetzung und Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.
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